Memorie's Echo
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Memorie's Echo
Tia öffnete die Augen, aber es war immernoch dunkel. Die Sonne war noch nicht aufgegangen. In der 'Küche' klapperte etwas. Tia kletterte von ihrem Schlafplatz. Den Stoffsack hatte ihre Tante aus zerrissenem Stoff selber genäht, gefüllt war er mit Stroh. Tia lächelte stolz. Sie hatte das bequemste Bett in ganz Dario. Sie schlich leise in die Küche, ihre Mutter hantierte mit zwei Schalen. Sie huschte an der Frau vorbei und zog die Lederlappen an die schwarzen Füße. Sie konnte noch nicht gut binden, dazu war sie noch zu klein, trotzdem blieben die Dinger diesmal sogar an ihren Füßen. Sie lächelte stolz und schlüpfte aus der Tür.
Obwohl es noch früh war, war in Dario schon alles wach und das kleine Kind wollte zum Haus des Aufsehers auf dem Hügel. Sie hielt am Brunnen und schöpfte dort mit einem der Holzeimer Wasser, dann mühte sie sich damit den Berg hoch. Der Eimer war fast so groß wie sie selbst und ziemlich schwer. Sie stellte den Eimer ab und schnaufte durch, dann klopfte sie an der Tür. Eine dunkelhaarige Frau öffnete. Sie war ungewöhnlich stämmig und hatte dunklere Haut. „Guten Morgen, Tante Neharia.“ freute sich das Kind. „Oh, Tia, ich hab schon auf dich gewartet.“ Die Frau schenkte ihr ein Lächeln und Tia wurde warm. „Ich habe schon Wasser geholt!“ sagte sie stolz. Neharia schaute überrascht in den Eimer. „Oh, mein Kind, das muss doch schwer gewesen sein! Das hätte ich aber auch machen können.“ Sie hob den Eimer und ließ die Tür hinter dem Kind zufallen.
Tia trat in die Küche. In einer Nische in der Wand brannte noch Feuer und ein dampfender Topf stand auf einem hellen Tisch, auf den ein Junge gerade Holzbesteck legte. „Morgen, Tia.“ sagte er und half dem Kind auf einen Stuhl. „Guten Morgen, Sunao... Danke.“ Hungrig griff sie nach einer Schale Reis, denn ihre Mutter kochte morgens nicht für sie mit. Neharia kippte eine Soße aus einem Krug in die Schalen. „Langsam, Tia, wenn du so schlingst, bekommst du Bauchweh.“ Sunao lachte und Tia grinste. „Weißt du was?“ sagte sie ganz aufgeregt. „Was denn, Schatz?“ fragte Neharia und Tia streckte ihr stolz die Füße entgegen. „Ganz alleine!“ Neharia lächelte und zog das Band noch etwas nach. „Wow, sehr gut. Bald bist du mein großes Mädchen.“ Sie strich Tia durch die Haare und verschwand dann im Nebenzimmer.
Sie kam mit einem der luxeriösisten Gegenstände zurück, die Tia kannte: Einem Kamm. Damit fuhr sie ein paar Mal durch Tias Haare und seufzte dabei. „So schöne Haare und so wenig Zeit zum Kämmen.“ Tia mochte Kämmen nicht, es ziepte ihr zu sehr. Deshalb war sie froh, das Sunao aufstand und meinte: „Wir müssen los, Mama.“ Neharia legte den Kamm auf den Tisch und begleitete die Kinder zur Tür. „Passt mir gut auf da oben.“ sagte sie. Die Kinder nickten, dann liefen sie dem Sonnenaufgang entgegen. Neharia blieb in der Tür stehen und sah ihnen wie jeden Morgen hinterher. Denn jedes Mal könnte es das letzte Mal sein. Sieben Jahre lang hatte man ihr ihren Sohn gelassen, aber sie hatte immer Angst davor, das Mr. Trance eines Tages vor der Tür stand und ihr sagte, das er ihren Jungen verkauft, verwettet oder beim Kartenspielen verloren hatte und er nun weg müsse.
Das selbe galt für ihre vierjährige Nichte. Ihre Mutter war eine furchtbare Frau, die das Kind bereits vor der Geburt zu töten versucht hatte, weil sie Kinder nicht mochte. Neharia kümmerte sich darum, das Tia dieses Elternhaus überlebte. Sie schützte beide Kinder so gut sie konnte. Nur vor der Arbeit konnte sie die Beiden nicht beschützen.
„Auatsch!“ Tia zieht die Hand zurück. Sie hatte sich in den Brombeeren verfangen und nun waren auf ihrer Hand ganz viele blutige Kratzer. Sunao besieht sich die Verletzung. „Is nich so schlimm...“ sagt Tia leise. „Lyon!“ Beide Kinder zucken zusammen. Hinter ihnen steht Kurt, Kurt Trance, der Sohn ihres „Herrn“. Er ist 22 und als Lüstling verschrien. Tia bekommt Angst und spürt, wie Sunaos Griff um ihre Hand fester wird. „Keine pause! Wir brauchen die Früchte für die Feier heute Abend!“ brüllt Kurt. „Verzeihung, Master, sie hat sich nur verletzt und ich ging los, um etwas zu holen, das die Früchte vor dem Blut schützt.“ Ein dunkelhaariger Junge kniet neben Tia nieder und wickelt einen Lappen um ihre Hand, dabei zwinkert er ihr zu. „Aha, ok, aber macht schnell. Ach ja,“ Kurt wirft grinsend einen Blick auf die verletzte Hand, „ich brauche noch eine Hilfskraft in der Küche heut Abend. Lyon, du wirst das erledigen. Pünktlich!“ Er geht und die Kinder atmen auf. Kinder werden oft zum Putzen und Spülen in der Küche eingesetzt. Es ist leichter, sie zu Umgehen oder sie zu übersteigen, als das bei einem Erwachsenen der Fall ist.
„Danke, Garik.“ sagt Tia und strahlt „Da hast du mir schon wieder geholfen.“ Der Junge lächelt. „Aber gern doch, Tia.“ Garik ist Tias großer Held. Der fast 16jährige ist immer da, wenn sie ihn braucht und hilft ihr aus der Patsche. „Das hat er mit Absicht gemacht!“ schimpft Sunao, „Das Spülmittel brennt wie bekloppt in den Kratzern.“ Tia besieht sich die eingewickelte Hand. „Ach, so schlimm wird’s nicht...“
Sunao stopft noch mehr Stroh in seinen Rücken und Garik späht nochmal aus dem Fenster. „Sie muss bald kommen.“ sagt er müde. Beide warten auf Tia. Im großen Stall kurz vor dem Dorf ist unter dem Dach ein Heuschober. Hier graben sich die Drei immer ein, jedes Jahr neu, um sich zu verstecken. Natürlich halten die Sklaven, die größtenteils aus Avanier bestehen, immer alle zusammen, aber kaum jemand hält so zueinander wie die drei Kinder. Und deshalb beobachten die Jungs von hieraus das Herrenhaus, damit sie helfen können, wenn was passiert. „Wenigstens kann sie heute Abend Reste verputzen, wenn keiner hinguckt, Vielleicht wird sie sogar satt.“ Sunao muss sich Mühe geben, um nicht einzuschlafen. Er denkt an seine Mama und das er nachher noch nach Hause gehen muss, aber die Feldarbeit hat ihn ziemlich geschlaucht. Ein bisschen wach muss er noch bleiben, nur noch... ein bisschen...
„Buh!“ Sunao schreckt hoch und Tia lacht. „Haben wir uns umsonst Sorgen gemacht?“ fragt er und mustert sie. Ihre Kleidung ist nass und ihre Wangen rot von der Hitze. Ihre Arme sind jetzt sauber, aber die verletzte Hand bläulich-rot und aufgequollen. Garik sieht es sich an. Tia zuckt. „Aua...“ Garik gibt ihr eine selbstgemachte Flasche aus Leder. „Wasch aus.“
„Moment.“ Tia stellt einen kleinen Sack ab und macht ihn auf, die Jungs staunen. Sie hat so viele Reste geklaut, wie sie unauffällig transportieren konnte. Tia wäscht die Hand ab. „Holt euch was, das ist für euch.“ Das lässt man sich nicht zweimal sagen.
Tia rollt das 'Kleid' auf, das sie trägt und es fällt noch mehr Essen heraus. Sie packen etwas für Garik und seine Geschwister ein, den Rest schaffen sie zu Neharias Haus. Die Frau wäscht die Wunden in Tias Hand mit kaltem Wasser aus. „Wenn sie dich erwischt hätten...“ meint sie. „Sie hätten mich kaputt geschlagen.“ sagt Tia. „Oder, wie bei Xiera...“ Xiera hat man erwischt. Bud hatte dem Oberaufseher gesagt, er solle sie mitnehmen und abends hat man sie sogar noch vor dem Einfahrtstor schreien gehört. Danach war sie einfach weg. Viele glauben aber, das die Knochen, die man zwei Tage später bei den Hundeabfällen gefunden hat, alles sind, was von der 11jährigen übrig geblieben ist.
Aber es gibt schlechte Nachrichten für Tante Neharia. Sunao weiß es schon und er spricht es auch an. „Du, Mam, bei der Feier, da... da haben sie auch getraded.“ Neharia wird weiß und blickt ihre Nichte panisch an. „Er hat gesagt... Bud hat gesagt, er hat mich an Kurt gegeben.“ sagt Tia leise. Marin steht vom Tisch auf, um Neharia einen Stuhl zuzuschieben, auf den sie fällt. „Ich passe schon auf sie auf.“ verspricht sie. Marin ist fast 15 und sie wurde auch von Bud an Kurt verschenkt. Marin ist allerdings schon alt genug, das sich Kurt manchmal nachts mit ihr in einem Zimmer einschließt. Am Anfang hat sie sich immer gewehrt, aber inzwischen macht sie das nur noch selten, denn es gibt Essen, wenn sie sich fügt. Oder Medizin für Marins Mama, die krank ist. Marin ist auch krank, aber nicht so wie ihre Mama. Außerdem ist sie Gariks beste Freundin und viele sagen, das die beiden verliebt sind. Sie selber sagen dazu nix.
„Tia ist noch zu klein für Kurt, keine Sorge. Ich sorge dafür, das ihr das nicht passiert.“ verspricht Marin und Neharia nickt dankbar. „Ich muss jetzt heim, meine Mutter kann heute nicht laufen. Danke für das Essen.“ Marin lächelt und geht dann. „Ich sollte auch gehen, bevor ein Aufseher sieht, das ich noch nicht in meinem Haus bin.“ sagt Tia. „Ja...“ Neharia nickt. „Jaa, mach, das du nach Hause kommst. Carad daren tuan, mein armes Kind.“
Obwohl es noch früh war, war in Dario schon alles wach und das kleine Kind wollte zum Haus des Aufsehers auf dem Hügel. Sie hielt am Brunnen und schöpfte dort mit einem der Holzeimer Wasser, dann mühte sie sich damit den Berg hoch. Der Eimer war fast so groß wie sie selbst und ziemlich schwer. Sie stellte den Eimer ab und schnaufte durch, dann klopfte sie an der Tür. Eine dunkelhaarige Frau öffnete. Sie war ungewöhnlich stämmig und hatte dunklere Haut. „Guten Morgen, Tante Neharia.“ freute sich das Kind. „Oh, Tia, ich hab schon auf dich gewartet.“ Die Frau schenkte ihr ein Lächeln und Tia wurde warm. „Ich habe schon Wasser geholt!“ sagte sie stolz. Neharia schaute überrascht in den Eimer. „Oh, mein Kind, das muss doch schwer gewesen sein! Das hätte ich aber auch machen können.“ Sie hob den Eimer und ließ die Tür hinter dem Kind zufallen.
Tia trat in die Küche. In einer Nische in der Wand brannte noch Feuer und ein dampfender Topf stand auf einem hellen Tisch, auf den ein Junge gerade Holzbesteck legte. „Morgen, Tia.“ sagte er und half dem Kind auf einen Stuhl. „Guten Morgen, Sunao... Danke.“ Hungrig griff sie nach einer Schale Reis, denn ihre Mutter kochte morgens nicht für sie mit. Neharia kippte eine Soße aus einem Krug in die Schalen. „Langsam, Tia, wenn du so schlingst, bekommst du Bauchweh.“ Sunao lachte und Tia grinste. „Weißt du was?“ sagte sie ganz aufgeregt. „Was denn, Schatz?“ fragte Neharia und Tia streckte ihr stolz die Füße entgegen. „Ganz alleine!“ Neharia lächelte und zog das Band noch etwas nach. „Wow, sehr gut. Bald bist du mein großes Mädchen.“ Sie strich Tia durch die Haare und verschwand dann im Nebenzimmer.
Sie kam mit einem der luxeriösisten Gegenstände zurück, die Tia kannte: Einem Kamm. Damit fuhr sie ein paar Mal durch Tias Haare und seufzte dabei. „So schöne Haare und so wenig Zeit zum Kämmen.“ Tia mochte Kämmen nicht, es ziepte ihr zu sehr. Deshalb war sie froh, das Sunao aufstand und meinte: „Wir müssen los, Mama.“ Neharia legte den Kamm auf den Tisch und begleitete die Kinder zur Tür. „Passt mir gut auf da oben.“ sagte sie. Die Kinder nickten, dann liefen sie dem Sonnenaufgang entgegen. Neharia blieb in der Tür stehen und sah ihnen wie jeden Morgen hinterher. Denn jedes Mal könnte es das letzte Mal sein. Sieben Jahre lang hatte man ihr ihren Sohn gelassen, aber sie hatte immer Angst davor, das Mr. Trance eines Tages vor der Tür stand und ihr sagte, das er ihren Jungen verkauft, verwettet oder beim Kartenspielen verloren hatte und er nun weg müsse.
Das selbe galt für ihre vierjährige Nichte. Ihre Mutter war eine furchtbare Frau, die das Kind bereits vor der Geburt zu töten versucht hatte, weil sie Kinder nicht mochte. Neharia kümmerte sich darum, das Tia dieses Elternhaus überlebte. Sie schützte beide Kinder so gut sie konnte. Nur vor der Arbeit konnte sie die Beiden nicht beschützen.
„Auatsch!“ Tia zieht die Hand zurück. Sie hatte sich in den Brombeeren verfangen und nun waren auf ihrer Hand ganz viele blutige Kratzer. Sunao besieht sich die Verletzung. „Is nich so schlimm...“ sagt Tia leise. „Lyon!“ Beide Kinder zucken zusammen. Hinter ihnen steht Kurt, Kurt Trance, der Sohn ihres „Herrn“. Er ist 22 und als Lüstling verschrien. Tia bekommt Angst und spürt, wie Sunaos Griff um ihre Hand fester wird. „Keine pause! Wir brauchen die Früchte für die Feier heute Abend!“ brüllt Kurt. „Verzeihung, Master, sie hat sich nur verletzt und ich ging los, um etwas zu holen, das die Früchte vor dem Blut schützt.“ Ein dunkelhaariger Junge kniet neben Tia nieder und wickelt einen Lappen um ihre Hand, dabei zwinkert er ihr zu. „Aha, ok, aber macht schnell. Ach ja,“ Kurt wirft grinsend einen Blick auf die verletzte Hand, „ich brauche noch eine Hilfskraft in der Küche heut Abend. Lyon, du wirst das erledigen. Pünktlich!“ Er geht und die Kinder atmen auf. Kinder werden oft zum Putzen und Spülen in der Küche eingesetzt. Es ist leichter, sie zu Umgehen oder sie zu übersteigen, als das bei einem Erwachsenen der Fall ist.
„Danke, Garik.“ sagt Tia und strahlt „Da hast du mir schon wieder geholfen.“ Der Junge lächelt. „Aber gern doch, Tia.“ Garik ist Tias großer Held. Der fast 16jährige ist immer da, wenn sie ihn braucht und hilft ihr aus der Patsche. „Das hat er mit Absicht gemacht!“ schimpft Sunao, „Das Spülmittel brennt wie bekloppt in den Kratzern.“ Tia besieht sich die eingewickelte Hand. „Ach, so schlimm wird’s nicht...“
Sunao stopft noch mehr Stroh in seinen Rücken und Garik späht nochmal aus dem Fenster. „Sie muss bald kommen.“ sagt er müde. Beide warten auf Tia. Im großen Stall kurz vor dem Dorf ist unter dem Dach ein Heuschober. Hier graben sich die Drei immer ein, jedes Jahr neu, um sich zu verstecken. Natürlich halten die Sklaven, die größtenteils aus Avanier bestehen, immer alle zusammen, aber kaum jemand hält so zueinander wie die drei Kinder. Und deshalb beobachten die Jungs von hieraus das Herrenhaus, damit sie helfen können, wenn was passiert. „Wenigstens kann sie heute Abend Reste verputzen, wenn keiner hinguckt, Vielleicht wird sie sogar satt.“ Sunao muss sich Mühe geben, um nicht einzuschlafen. Er denkt an seine Mama und das er nachher noch nach Hause gehen muss, aber die Feldarbeit hat ihn ziemlich geschlaucht. Ein bisschen wach muss er noch bleiben, nur noch... ein bisschen...
„Buh!“ Sunao schreckt hoch und Tia lacht. „Haben wir uns umsonst Sorgen gemacht?“ fragt er und mustert sie. Ihre Kleidung ist nass und ihre Wangen rot von der Hitze. Ihre Arme sind jetzt sauber, aber die verletzte Hand bläulich-rot und aufgequollen. Garik sieht es sich an. Tia zuckt. „Aua...“ Garik gibt ihr eine selbstgemachte Flasche aus Leder. „Wasch aus.“
„Moment.“ Tia stellt einen kleinen Sack ab und macht ihn auf, die Jungs staunen. Sie hat so viele Reste geklaut, wie sie unauffällig transportieren konnte. Tia wäscht die Hand ab. „Holt euch was, das ist für euch.“ Das lässt man sich nicht zweimal sagen.
Tia rollt das 'Kleid' auf, das sie trägt und es fällt noch mehr Essen heraus. Sie packen etwas für Garik und seine Geschwister ein, den Rest schaffen sie zu Neharias Haus. Die Frau wäscht die Wunden in Tias Hand mit kaltem Wasser aus. „Wenn sie dich erwischt hätten...“ meint sie. „Sie hätten mich kaputt geschlagen.“ sagt Tia. „Oder, wie bei Xiera...“ Xiera hat man erwischt. Bud hatte dem Oberaufseher gesagt, er solle sie mitnehmen und abends hat man sie sogar noch vor dem Einfahrtstor schreien gehört. Danach war sie einfach weg. Viele glauben aber, das die Knochen, die man zwei Tage später bei den Hundeabfällen gefunden hat, alles sind, was von der 11jährigen übrig geblieben ist.
Aber es gibt schlechte Nachrichten für Tante Neharia. Sunao weiß es schon und er spricht es auch an. „Du, Mam, bei der Feier, da... da haben sie auch getraded.“ Neharia wird weiß und blickt ihre Nichte panisch an. „Er hat gesagt... Bud hat gesagt, er hat mich an Kurt gegeben.“ sagt Tia leise. Marin steht vom Tisch auf, um Neharia einen Stuhl zuzuschieben, auf den sie fällt. „Ich passe schon auf sie auf.“ verspricht sie. Marin ist fast 15 und sie wurde auch von Bud an Kurt verschenkt. Marin ist allerdings schon alt genug, das sich Kurt manchmal nachts mit ihr in einem Zimmer einschließt. Am Anfang hat sie sich immer gewehrt, aber inzwischen macht sie das nur noch selten, denn es gibt Essen, wenn sie sich fügt. Oder Medizin für Marins Mama, die krank ist. Marin ist auch krank, aber nicht so wie ihre Mama. Außerdem ist sie Gariks beste Freundin und viele sagen, das die beiden verliebt sind. Sie selber sagen dazu nix.
„Tia ist noch zu klein für Kurt, keine Sorge. Ich sorge dafür, das ihr das nicht passiert.“ verspricht Marin und Neharia nickt dankbar. „Ich muss jetzt heim, meine Mutter kann heute nicht laufen. Danke für das Essen.“ Marin lächelt und geht dann. „Ich sollte auch gehen, bevor ein Aufseher sieht, das ich noch nicht in meinem Haus bin.“ sagt Tia. „Ja...“ Neharia nickt. „Jaa, mach, das du nach Hause kommst. Carad daren tuan, mein armes Kind.“
Re: Memorie's Echo
Tia hat nie Angst gezeigt. Ich glaube, damit wir auch keine Angst hatten. Sie wollte immer tapfer sein, aber ich habe ihr oft angesehn, wie viel Angst sie in sich hatte. Auch die Sache mit ihren Haaren. Sie hat die Haare nur so kurz, damit man meint, sie ist ein Junge, solang ihr Körper noch nicht zu weiblich war. Sie hatte Angst. Angst vor Kurt und den anderen Perversen, die in den Sklaven Dinger gesehen haben, die man für jegliche Art von Vergnügen nutzen konnte. Das wir Menschen waren haben sie nie gesehen. Und Tias kurze Haare... waren für mich, und sind auch immernoch, ein Ausdruck ihre Angst vor solchen Leuten.
Sunao Ava
Sunao Ava
Re: Memorie's Echo
„Garik!!“ Sunao schrie nach ihm, sein Gesicht war tränennass und er hatte panische Angst. Er trug Tia, halb auf dem Rücken, halb unter dem Arm, aber der kleine Leib war zu schwer für den schwächlichen Jungen.
Garik kam zu ihm gerannt und nahm ihm das kleine Mädchen ab. Sie war schlaff und voller Blut, ihre Arme bewegten sich komisch, sie hatte die Augen geschlossen und Garik hörte sie kaum atmen. „Was ist passiert?“ fragte er, als die beiden Jungen zu Neharias Haus eilten. Sunaos Stimme brach, denn er weinte immernoch und zitterte so sehr, das es ihm schwer fiel, zu laufen. „Sie hat was fallen lassen... und Kurt... hat solang mit einem Stock auf sie eingeschlagen, bis sie sich nicht mehr bewegt hat!!“ Weiter vorn ging die Tür auf und Sunao rannte seiner Mutter entgegen.
Zusammen schafften sie das Kleinkind ins Haus. Sunao blieb in der Küche, er zitterte und weinte vor Angst, das er keine Luft bekam, und Garik sprach beruhigend auf ihn ein. Marin kam herein und schüttelte den Kopf. „Diese Frau ist nicht mehr ganz dicht.“ Sie war bei Tias Mama gewesen. „Es ist ihr egal, sie wird nicht herkommen, solang es nicht ihren Mann betrifft, sagt sie.“
„Tias Mutter ist ein Monster.“ meinte Garik giftig. Marin setzte sich neben Sunao auf den Stuhl und legte den Arm um ihn. Nehria kam in die Küche und rieb sich das Gesicht, dann setzte sie sich auf einen Stuhl. „Der Heiler ist drin...“ sagte sie. Sunao kletterte auf ihren Schoß und Garik setzte sich vor Marin auf den Tisch. Sie legte ihre Hand auf sein Bein und er spürte, wie sie zitterte, also legte er seine Hand auf ihre. So blieben sie sitzen und bangten und fürchteten, den Tod zur Tür hereinkommen zu sehen.
Tia lief. Immer weiter. „Papa!“ rief sie „Papa, warte! Lass mich nicht hier! Bitte!“ Und sie lief weiter, aber sie erreichte ihren Vater nicht. Und dann war er weg. „Papa!“ rief sie nochmal, aber ihre Stimme verlor sich in der Dunkelheit. Sie drehte sich um sich selbst und entdeckte zwei weitere Menschen, eine junge Frau und einen Mann, der kaum älter war. Die Frau wandte sich um, ihre blonden Haare flossen über ihren Rücken, und blickte sie aus eisblauen Augen an. Tia zögerte, dann trat sie vorsichtig auf die Beiden zu, doch die Personen verschwanden ebenfalls, als das Geräusch von tropfendem Wasser auftauchte. Eine schreckliche Vorahnung befiel das Mädchen und sie drehte sich langsam um.
„Uah!“ Hinter ihr lag ein blutiger Körper, verrenkt und entstellt. Trotzdem meinte sie für einen Moment, Sunao darin zu erkennen, da bewegte sich der Leichnam. Tia wich zurück. Die Leiche entfaltete mit Blutfäden benetzte Schwingen und erhob sich langsam, das Gesicht zu Boden gerichtet, dann schoß es blitzschnell vor und klammerte sich an das kleine Kind. Tia schrie auf vor Angst.
Das Blut tropfte auf ihr Gesicht, ihre Arme und Kleidung. „Hilfe! Was ist das?! Macht es weg, bitte!“ Sie wand sich und es war ihr plötzlich, als würde die Leiche mit ihr verschmelzen. Tatsächlich senkte sie sich in den Körper des Kindes und dann, in einem gewaltigen Luftwirbel, zerfielen die Flügel und schneeweiße Federn wirbelten über Tias Gesicht und ihren Körper, um dann aufzusteigen und in der unendlichen Dunkelheit für immer zu verschwinden. Tia spürte ein Kribbeln und dann schloß sie die Augen.
Sie konnte wieder denken und auf einmal tat ihr alles schrecklich weh. Tia stöhnte auf und öffnete die schweren Lieder. Sie konnte die Arme nicht bewegen, sie waren schwer und taten weh. Sie blickte in das Gesicht des Weißmagiers Bakton. „Tia! Wilkommen zurück, Kleine. Wie fühlst du dich?“ fragte er und er lächelte dabei. „Schlecht...“ stöhnte das Mädchen und machte Anstalten, sich aufzusetzten, aber Bakton hielt sie zurück. „Woah, sachte, mein Kind, du bist noch schwer verletzt. Deine Arme hab ich mit Erde und Ton geschient, aber das wird nicht viel halten, also bleib einfach liegen.“
Tia betrachtete sich. Tonschienen an den Armen und sie war überall mit Salbe beschmiert. Alles tat weh und ihr Kopf drehte sich immernoch und pulsierte schmerzhaft. Sie jammerte auf. „Kurt hat dich ziemlich übel zugerichtet. Ich hatte Angst, das du es nicht schaffst, aber du bist offenbar nicht so leicht kleinzukriegen.“ Bakton legte seine Hand über ihre Augen und der Schmerz ließ nach. Tia schloß die Augen nochmal.
Als sie sie wieder öffnete, war Neharia ins Zimmer gekommen. Sie zitterte leicht und hatte Tränen in den Augen und die Sonne malte goldene Tupfer in ihre Haare. Tia lächelte und wäre am liebsten aufgestanden, aber sie konnte sich nicht bewegen. „Tante Neharia...“ sagte sie leise und die Frau setzte sich an das Lager des Kindes. Es war eine alte Schublade, die mit Stroh gefüllt und mit einem Tuch überzogen worden war. Sanft legte die Frau ihre Hand auf die von Tia und Tia spürte, wie sie zitterte. „Vania sei Dank, du lebst...“ hauchte Neharia und Tia sah Tränen fallen. „Wir hatten solche Angst, das du nicht wieder wach wirst, Tia, aber du hast es geschafft. Oh, mein armer Schatz.“ Sie legte die Hand über ihren Mund und weinte noch schlimmer. „Nich weinen, is doch alles gut...“ sagte Tia leise. Wieder öffnete sich die Tür. Sunao stellte sich neben seine Mutter, Garik und Marin blieben an der Tür stehen. „Tia?“ Sunao sprach leise und wirkte unheimlich müde. Tia lächelte. „Alles ok?“ fragte sie. „Du hast fast drei Tage geschlafen, Tia, und wir... wir haben uns so Sorgen gemacht....“ Sunao wurde leiser. „Mir geht es gut,“ flunkerte das Kind, „und bald komm ich wieder raus und spiele mit dir.“ Sie lächelte. Garik strich ihr vorsichtig durch die Haare. „Es tut gut, dich wieder zu hören.“ sagte er, aber auch er sprach leise, was Tia wegen ihrem Kopfweh auch nur recht war.
Tia fragte noch, nach Marins Mama und nach der von Garik und nach Sunaos Papa und den anderen Kindern, dann scheuchte Neharia die anderen raus, damit Tia Ruhe bekam. Nur sie und Bakton blieben. „Schlaf jetzt ein bisschen.“ sagte Neharia und legte ihre Hand auf Tias Stirn. Tia schloß müde die Augen. „Tante?“ sagte sie leise. „Ja, mein Schatz?“
„Ich hab einen seltsamen Traum gehabt, von Papa, der weg war und einer Person, die ganz voll war mit Blut und mich umarmt hat und er hatte weiße Flügel...“ erzählte das Kind. „Seltsam... ein Engel vielleicht...“ sagte Neharia und dann gab sie Tia ein Küsschen auf die Stirn und sanfte Dunkelheit umschloss das Kind.
Garik kam zu ihm gerannt und nahm ihm das kleine Mädchen ab. Sie war schlaff und voller Blut, ihre Arme bewegten sich komisch, sie hatte die Augen geschlossen und Garik hörte sie kaum atmen. „Was ist passiert?“ fragte er, als die beiden Jungen zu Neharias Haus eilten. Sunaos Stimme brach, denn er weinte immernoch und zitterte so sehr, das es ihm schwer fiel, zu laufen. „Sie hat was fallen lassen... und Kurt... hat solang mit einem Stock auf sie eingeschlagen, bis sie sich nicht mehr bewegt hat!!“ Weiter vorn ging die Tür auf und Sunao rannte seiner Mutter entgegen.
Zusammen schafften sie das Kleinkind ins Haus. Sunao blieb in der Küche, er zitterte und weinte vor Angst, das er keine Luft bekam, und Garik sprach beruhigend auf ihn ein. Marin kam herein und schüttelte den Kopf. „Diese Frau ist nicht mehr ganz dicht.“ Sie war bei Tias Mama gewesen. „Es ist ihr egal, sie wird nicht herkommen, solang es nicht ihren Mann betrifft, sagt sie.“
„Tias Mutter ist ein Monster.“ meinte Garik giftig. Marin setzte sich neben Sunao auf den Stuhl und legte den Arm um ihn. Nehria kam in die Küche und rieb sich das Gesicht, dann setzte sie sich auf einen Stuhl. „Der Heiler ist drin...“ sagte sie. Sunao kletterte auf ihren Schoß und Garik setzte sich vor Marin auf den Tisch. Sie legte ihre Hand auf sein Bein und er spürte, wie sie zitterte, also legte er seine Hand auf ihre. So blieben sie sitzen und bangten und fürchteten, den Tod zur Tür hereinkommen zu sehen.
Tia lief. Immer weiter. „Papa!“ rief sie „Papa, warte! Lass mich nicht hier! Bitte!“ Und sie lief weiter, aber sie erreichte ihren Vater nicht. Und dann war er weg. „Papa!“ rief sie nochmal, aber ihre Stimme verlor sich in der Dunkelheit. Sie drehte sich um sich selbst und entdeckte zwei weitere Menschen, eine junge Frau und einen Mann, der kaum älter war. Die Frau wandte sich um, ihre blonden Haare flossen über ihren Rücken, und blickte sie aus eisblauen Augen an. Tia zögerte, dann trat sie vorsichtig auf die Beiden zu, doch die Personen verschwanden ebenfalls, als das Geräusch von tropfendem Wasser auftauchte. Eine schreckliche Vorahnung befiel das Mädchen und sie drehte sich langsam um.
„Uah!“ Hinter ihr lag ein blutiger Körper, verrenkt und entstellt. Trotzdem meinte sie für einen Moment, Sunao darin zu erkennen, da bewegte sich der Leichnam. Tia wich zurück. Die Leiche entfaltete mit Blutfäden benetzte Schwingen und erhob sich langsam, das Gesicht zu Boden gerichtet, dann schoß es blitzschnell vor und klammerte sich an das kleine Kind. Tia schrie auf vor Angst.
Das Blut tropfte auf ihr Gesicht, ihre Arme und Kleidung. „Hilfe! Was ist das?! Macht es weg, bitte!“ Sie wand sich und es war ihr plötzlich, als würde die Leiche mit ihr verschmelzen. Tatsächlich senkte sie sich in den Körper des Kindes und dann, in einem gewaltigen Luftwirbel, zerfielen die Flügel und schneeweiße Federn wirbelten über Tias Gesicht und ihren Körper, um dann aufzusteigen und in der unendlichen Dunkelheit für immer zu verschwinden. Tia spürte ein Kribbeln und dann schloß sie die Augen.
Sie konnte wieder denken und auf einmal tat ihr alles schrecklich weh. Tia stöhnte auf und öffnete die schweren Lieder. Sie konnte die Arme nicht bewegen, sie waren schwer und taten weh. Sie blickte in das Gesicht des Weißmagiers Bakton. „Tia! Wilkommen zurück, Kleine. Wie fühlst du dich?“ fragte er und er lächelte dabei. „Schlecht...“ stöhnte das Mädchen und machte Anstalten, sich aufzusetzten, aber Bakton hielt sie zurück. „Woah, sachte, mein Kind, du bist noch schwer verletzt. Deine Arme hab ich mit Erde und Ton geschient, aber das wird nicht viel halten, also bleib einfach liegen.“
Tia betrachtete sich. Tonschienen an den Armen und sie war überall mit Salbe beschmiert. Alles tat weh und ihr Kopf drehte sich immernoch und pulsierte schmerzhaft. Sie jammerte auf. „Kurt hat dich ziemlich übel zugerichtet. Ich hatte Angst, das du es nicht schaffst, aber du bist offenbar nicht so leicht kleinzukriegen.“ Bakton legte seine Hand über ihre Augen und der Schmerz ließ nach. Tia schloß die Augen nochmal.
Als sie sie wieder öffnete, war Neharia ins Zimmer gekommen. Sie zitterte leicht und hatte Tränen in den Augen und die Sonne malte goldene Tupfer in ihre Haare. Tia lächelte und wäre am liebsten aufgestanden, aber sie konnte sich nicht bewegen. „Tante Neharia...“ sagte sie leise und die Frau setzte sich an das Lager des Kindes. Es war eine alte Schublade, die mit Stroh gefüllt und mit einem Tuch überzogen worden war. Sanft legte die Frau ihre Hand auf die von Tia und Tia spürte, wie sie zitterte. „Vania sei Dank, du lebst...“ hauchte Neharia und Tia sah Tränen fallen. „Wir hatten solche Angst, das du nicht wieder wach wirst, Tia, aber du hast es geschafft. Oh, mein armer Schatz.“ Sie legte die Hand über ihren Mund und weinte noch schlimmer. „Nich weinen, is doch alles gut...“ sagte Tia leise. Wieder öffnete sich die Tür. Sunao stellte sich neben seine Mutter, Garik und Marin blieben an der Tür stehen. „Tia?“ Sunao sprach leise und wirkte unheimlich müde. Tia lächelte. „Alles ok?“ fragte sie. „Du hast fast drei Tage geschlafen, Tia, und wir... wir haben uns so Sorgen gemacht....“ Sunao wurde leiser. „Mir geht es gut,“ flunkerte das Kind, „und bald komm ich wieder raus und spiele mit dir.“ Sie lächelte. Garik strich ihr vorsichtig durch die Haare. „Es tut gut, dich wieder zu hören.“ sagte er, aber auch er sprach leise, was Tia wegen ihrem Kopfweh auch nur recht war.
Tia fragte noch, nach Marins Mama und nach der von Garik und nach Sunaos Papa und den anderen Kindern, dann scheuchte Neharia die anderen raus, damit Tia Ruhe bekam. Nur sie und Bakton blieben. „Schlaf jetzt ein bisschen.“ sagte Neharia und legte ihre Hand auf Tias Stirn. Tia schloß müde die Augen. „Tante?“ sagte sie leise. „Ja, mein Schatz?“
„Ich hab einen seltsamen Traum gehabt, von Papa, der weg war und einer Person, die ganz voll war mit Blut und mich umarmt hat und er hatte weiße Flügel...“ erzählte das Kind. „Seltsam... ein Engel vielleicht...“ sagte Neharia und dann gab sie Tia ein Küsschen auf die Stirn und sanfte Dunkelheit umschloss das Kind.
Re: Memorie's Echo
Diese Sache damals war ganz schrecklich. Wie kann man auf eine Vierjährige so einprügeln, nur, weil sie etwas fallen lässt? Das ist doch normal für ein Kind. Tia hat fast zwei Monate für die vollständige Genesung gebraucht und sie ist nach einem Monat schon wieder Arbeiten gegangen. Kurt wollte sie schon am nächsten Tag wieder da haben und ist bei uns aufgelaufen, warum sie nich da sei. Da habe ich ihn angeschrien: „Wenn Sie Arbeitskräfte brauchen, dann schlagen Sie die nicht tot, vor allem kein Kind und nun verschwinden Sie, Sie mieses Schwein!“ Er hat sich einen Stock geben lassen, aber mein Mann hat ihn davon abgehalten, auch mich zu schlagen. Eine wütende, schreiende Menge hatte sich um mein Haus versammelt, sie alle wussten um Tia und was Kurt getan hatte. Er war sehr wütend, als er sich notgedrungen zurückziehen musste. Wir alle hatten danach Angst, aber das war es uns wert.
Neharia
Neharia
Re: Memorie's Echo
Tia schleppt ihren Erntesack zum Sammelbehälter. Die Sonne scheint erbarmungslos auf die ca. 120 Kinder zwischen 3 und 17 Jahren, die das Maisfeld abernten. Seit 6 Stunden sind die Kinder jetzt hier und fast mehr als die Hälfte stehen noch aus.
Tia kippt ihren Sack aus und reibt sich die müden Augen. „Alles ok?“ Sunao reicht seiner Cousine einen Beutel Wasser, die Flasche hat Garik ihm gemacht. Tia greift dankbar danach und trinkt ordentlich. Sunao schmuggelt oft Wasser mit. „Jetzt ists viel besser, danke.“ Tia gibt ihm die Flasche zurück und schultert ihren Sack, als weiter vorne Krach aufkommt. Pferdehufe, Gelächter... und panische Schreie. Zwischen den Pflanzen tauchen rennende Kinder auf, alle fliehen vor dem Lärm. „Lauft!“ brüllt einer der Jungs, „die bringen uns alle um! Lauft!“
Tia und Sunao sehen sich kurz an, dann lassen sie die Säcke fallen und stürmen los. Die Reiter sind natürlich wesentlich schneller als die Kinder. Bewaffnet mit Schwertern, Stöcken, Sensen und ähnlichem brechen sie durch die Pflanzen und schlagen nach den Kindern aus. Tia blickt nicht nach hinten, sie kann den Lärm und die Schreie nicht ignorieren, aber sie blickt nicht zurück. Ihre kleinen Füße tragen die Vierjährige schnell über den gesamten Acker, bis kurz vors Ende der bepflanzten Fläche. Als sie auch vor sich Schreie und Hufe hört, biegt sie nach links ab ins Roggenfeld.
Sie läuft hinein, dann zittern ihre Knie so sehr, das sie zu Boden sinkt und krampfhaft Luft zu holen versucht. Ihr Sichtfeld, vorher verschwommen, wird wieder klarer. Ihre Füße schmerzen, irgendwo hat sie sich die Hand aufgerissen und sie hat quälendes Seitenstechen. Tia legt die Arme um ihren Bauch, blickt sich um und versucht weiter, Luft in die stechenden Lungen zu pumpen, noch nie war sie so gerannt. Sie ist vollkommen alleine. Es sind zwar auch andere Kinder ins Roggenfeld abgebogen, das hat sie gesehen, aber aus Angst sind sie nicht zusammen geblieben. Durch die weichen Roggenpflanzen sind die Spuren der Kinder nur schwer zu verfolgen, aber lange werden sie hier nicht sicher sein und Tia weiß das. Trotzdem kann sie ihre Beine nicht dazu bewegen, sie weiter zu tragen. Ihr Zeitgefühl ist verschwunden, sie weiß nicht, wie lang sie eben gelaufen ist und sie weiß auch nicht, wie lang sie hier schon so kauert.
Als die Pferde wieder lauter werden, rappelt das kleine Kind sich auf und wankt voran. Sie läuft wieder los, als sie merkt, das der Tod sich schneller nähert, als sie gedacht hätte. Sie keucht, räumt mit den Händen das Getreide aus dem Weg, trotz ihrer Erschöpfung rennt sie weiter, die Angst treibt sie an. Hinter sich hört sie, wie Pferdehufe Pflanzen zermalmen, neben sich rascheln andere Kinder weg von den Mördern. Die Hufe werden lauter, es gibt wieder Schreie, Tia läuft nach links... und plötzlich ist sie heraus aus dem Feld und blickt über die Straße auf die Dächer von Dario.
'Neharia! Bei Tante Neharia bin ich sicher!' Der Gedanke, das die Rettung so nah ist, gibt Tia neue Kraft. Sie rennt die Straße hinunter, die ersten Häuser fliegen an ihr vorbei, biegt um eine Kurve... und ein Pferd bäumt sich laut wiehernd vor ihr auf. Tia bremst mit einem Aufschrei und weicht zurück, bemerkt Blut und Körper hinter dem Tier, dann saust ein Schwert auf sie nieder. Das Kind stolpert rückwärts, fällt, das Metall verfehlt sie nur um Haaresbreite. Der Reiter setzt nach und Tia nimmt den einzig möglichen Fluchtweg... sie springt auf den Mann und sein Pferd zu. Sie krabbelt zwischen den Beinen des Tieres hindurch, schlägt gegen eins, das das Pferd zur Seite kippt und stolpert weg, die Angst hat ihr die Tränen in die Augen getrieben.
Hinter dem Pferd, das der Reiter zum Aufstehen und wenden zu Bewegen versucht, liegen zwei Tote, Kinder, kaum älter als Tia selbst. Sie rennt weiter, aber das Wissen um das Blut an ihren Füßen lässt ihr fast die Galle hochkommen. Sie schlüpft unter eine Veranda, der Reiter galoppiert mehrmals um das Haus. Als er grade auf der anderen Seite ist, rennt Tia wieder los. Schluchzend und stolpernd rennt sie Darios Hauptstraße entlang, das Getrappel der Hufe immer in den Ohren.
„Psst, Tia!“ Das eindringliche Flüstern lässt Tia aufblicken. Eine der unförmigen Hauswände scheint sich zu bewegen. Tia erkennt Garik und Sunao, eng an die Wand gedrängt. Sunao winkt ihr. „Tia, schnell, komm her!“ Das Mädchen wankt auf beide zu. „Schnell!“ zischt Sunao. Garik, der vor ihrem Cousin auf dem Boden hockt, die Hände an die Wand gestemmt, nimmt einen Arm weg und Tia kann sich neben ihren Cousin an die Wand setzten. Sie drängt sich an ihn und Sunao legt einen Arm um sie. Garik hat eine Decke in den Fäusten, die die Farbe der Wand hat. Er drängt die beiden Kinder noch mehr an die Wand und schlägt den Stoff über alle. Tia hat die Beine angewinkelt, sie zitternd am ganzen Körper. „Warum machen die das?“ fragt sie nach einer Weile. Alle drei haben sich so kein wie möglich gemacht. „Wir werden zu viele, sagen sie,“ Gariks Stimme klingt hart. „Also töten sie die Kinder, damit sie nicht erwachsen werden.“ Tia starrt ihn an. „Wieso traden sie nicht?“ Garik schüttelt den Kopf. „Sie haben Angst, das wir einfach zu viele werden, überall, auf dem ganzen Planeten.“ Die Kinder bleiben fassungslos sitzen. „Psst!“ zischt Garik. Sie hören Reiter vorbeikommen, sie lachen... genießen die Jagd.
Tia weiß nicht, wie lange die Kinder dort sitzen, aber sie spürt, das die Schatten gewandert sind. „Nach Hause.“ flüstert sie. „Wir müssen nach Hause.“ Garik nickt. „Weit ist es nicht, wir können es schaffen.“ Sie warten lieber solang, bis die nächsten Männer vorbeigezogen sind. Garik späht vorsichtig die Straße entlang. „Ok, die Luft ist rein. Ich zähl bis 3, dann lauft ihr los. Dreht euch nicht um, sonst werdet ihr langsamer, lauft einfach, verstanden?“ Die Kinder nicken. „Alles klar. 1...“ Die Beiden setzten sich auf die Füße und drehen sich langsam in die Richtung, in die sie nun laufen müssen. „2...“ Garik verstärkt den Griff um die Decke. „3!“ Er springt auf und die Kinder rennen los. Garik lässt die Decke fallen und folgt ihnen.
Tia schaut nicht nach hinten. Sie hört Garik hinter sich, aber jeden Moment können wieder Reiter um die Ecke biegen. Die Drei rasen durch das Dorf, noch 700 Meter bis zum Hügel, Tia schaut nicht nach links oder rechts, sie schaut auch nicht nach hinten, sie rennt weiter. Sie kann nicht denken, sie will auch nicht, sie hat nur Angst. Sunao ist schneller und erreicht den Hügelaufgang als Erster. Tia keucht, alles tut ihr weh, aber sie kann hier nicht stehen bleiben, man kann sie hier von fast überall aus sehen. Sunao ist schon fast oben.
„Mama!“ brüllt er mit all der Luft, die er noch hat. „Mama schnell, mach auf! Lass uns rein!“ Er kommt oben an, als seine Mutter die Tür aufreisst. Sie musste heute hier bleiben, Einmachgläser auskochen, was in ihrer Küche einfacherer für sie ist als im Herrenhaus, wo sie laut Bud dem Koch im Weg steht. „Sunao! Tia, Garik, dem Himmel sei Dank! Schnell!“ Garik hat Tia eingeholt, schnappt sie aus dem Lauf und hievt sie über die Schwelle, Neharia packt ihn an der Schulter und knallt die Tür zu, schließt hinter sich ab.
Keuchend sinkt Tia in der Küche zusammen, die Arme um den schmerzenden Bauch und die stechenden Seiten, wiegt sie vor und zurück, um zu Atem zu kommen. Sunao steht mit zitternden Knien am Tisch, an dem er sich abstützt, Garik stemmt die Hände auf die Knie und hustet. Neharia hebt ihren Sohn auf einen Stuhl und starrt ihn an, ihre Augen schimmern, sie scheint bereits alles zu wissen. „Ich wollte euch suchen, aber... Marin hat mir alles erzählt... die Kinder hier... Oh Vania, sei gepriesen, ihr seit zurück gekommen, ihr habt es geschafft!“ Sunao lächelt keuchend. „Marin?“ stößt Garik hervor und Neharia nickt. „Sie war eine der Ersten hier, sie war eben noch oben, hat die Kleinen betreut.“ In dem Moment kommt das Mädchen die Leiter herunter. „Garik! Seit ihr in Ordnung?“ Sie eilt zu ihm, um ihn zu stützten, hievt ihn auf den Tisch, wo er sitzen und Luft schöpfen kann. „Ja... Marin, ich hab dich gesucht. Mann, bin ich froh, das du... dir ist doch nichts passiert?“ Er starrt auf ihre Kleidung. Marin schüttelt den Kopf. „Das ist nicht mein Blut, keine Sorge.“ Sie legt ganz vorsichtig die Arme um ihn. „Ich hatte Angst. Aber ihr habt es geschafft, ihr habt es geschafft.“ Garik legt einen Arm um sie und nickt keuchend. Neharia bringt Wasser und Tia kippt den Becher in einem Zug herunter. „Danke.“ Sie bekommt immer noch kaum Luft. Neharia kümmert sich um die Kinder.
Nach einer halben Stunde geht Garik wieder raus, um anderen zu helfen. Marin bittet ihn zu bleiben, aber sie kann ihn nicht überzeugen. Nur wenig später eilt auch sie hinaus. Bis zum Abend versammeln sie zusammen mehr als 26 Kinder im Obergeschoss. Erst am Abend, als Sunaos Vater zurückkommt, gibt es Entwarnung für die Kleinen, die Reiter sind abgezogen. Am nächsten Tag, einem Sonntag, an dem die Trances nicht da sind, zieht nachts ein Trauerzug durch das Dorf. Sie tragen fast 240 der im Dorf lebenden 290 Kinder zu der Beerdigungsstätte im Wald hinter den Ländereien. Überall im Land steigen die Trauergesänge der Avanier in den Himmel, denn nicht nur die Trances haben an diesem Tag den Kinderbestand der Avanier so brutal reduziert.
Tia kippt ihren Sack aus und reibt sich die müden Augen. „Alles ok?“ Sunao reicht seiner Cousine einen Beutel Wasser, die Flasche hat Garik ihm gemacht. Tia greift dankbar danach und trinkt ordentlich. Sunao schmuggelt oft Wasser mit. „Jetzt ists viel besser, danke.“ Tia gibt ihm die Flasche zurück und schultert ihren Sack, als weiter vorne Krach aufkommt. Pferdehufe, Gelächter... und panische Schreie. Zwischen den Pflanzen tauchen rennende Kinder auf, alle fliehen vor dem Lärm. „Lauft!“ brüllt einer der Jungs, „die bringen uns alle um! Lauft!“
Tia und Sunao sehen sich kurz an, dann lassen sie die Säcke fallen und stürmen los. Die Reiter sind natürlich wesentlich schneller als die Kinder. Bewaffnet mit Schwertern, Stöcken, Sensen und ähnlichem brechen sie durch die Pflanzen und schlagen nach den Kindern aus. Tia blickt nicht nach hinten, sie kann den Lärm und die Schreie nicht ignorieren, aber sie blickt nicht zurück. Ihre kleinen Füße tragen die Vierjährige schnell über den gesamten Acker, bis kurz vors Ende der bepflanzten Fläche. Als sie auch vor sich Schreie und Hufe hört, biegt sie nach links ab ins Roggenfeld.
Sie läuft hinein, dann zittern ihre Knie so sehr, das sie zu Boden sinkt und krampfhaft Luft zu holen versucht. Ihr Sichtfeld, vorher verschwommen, wird wieder klarer. Ihre Füße schmerzen, irgendwo hat sie sich die Hand aufgerissen und sie hat quälendes Seitenstechen. Tia legt die Arme um ihren Bauch, blickt sich um und versucht weiter, Luft in die stechenden Lungen zu pumpen, noch nie war sie so gerannt. Sie ist vollkommen alleine. Es sind zwar auch andere Kinder ins Roggenfeld abgebogen, das hat sie gesehen, aber aus Angst sind sie nicht zusammen geblieben. Durch die weichen Roggenpflanzen sind die Spuren der Kinder nur schwer zu verfolgen, aber lange werden sie hier nicht sicher sein und Tia weiß das. Trotzdem kann sie ihre Beine nicht dazu bewegen, sie weiter zu tragen. Ihr Zeitgefühl ist verschwunden, sie weiß nicht, wie lang sie eben gelaufen ist und sie weiß auch nicht, wie lang sie hier schon so kauert.
Als die Pferde wieder lauter werden, rappelt das kleine Kind sich auf und wankt voran. Sie läuft wieder los, als sie merkt, das der Tod sich schneller nähert, als sie gedacht hätte. Sie keucht, räumt mit den Händen das Getreide aus dem Weg, trotz ihrer Erschöpfung rennt sie weiter, die Angst treibt sie an. Hinter sich hört sie, wie Pferdehufe Pflanzen zermalmen, neben sich rascheln andere Kinder weg von den Mördern. Die Hufe werden lauter, es gibt wieder Schreie, Tia läuft nach links... und plötzlich ist sie heraus aus dem Feld und blickt über die Straße auf die Dächer von Dario.
'Neharia! Bei Tante Neharia bin ich sicher!' Der Gedanke, das die Rettung so nah ist, gibt Tia neue Kraft. Sie rennt die Straße hinunter, die ersten Häuser fliegen an ihr vorbei, biegt um eine Kurve... und ein Pferd bäumt sich laut wiehernd vor ihr auf. Tia bremst mit einem Aufschrei und weicht zurück, bemerkt Blut und Körper hinter dem Tier, dann saust ein Schwert auf sie nieder. Das Kind stolpert rückwärts, fällt, das Metall verfehlt sie nur um Haaresbreite. Der Reiter setzt nach und Tia nimmt den einzig möglichen Fluchtweg... sie springt auf den Mann und sein Pferd zu. Sie krabbelt zwischen den Beinen des Tieres hindurch, schlägt gegen eins, das das Pferd zur Seite kippt und stolpert weg, die Angst hat ihr die Tränen in die Augen getrieben.
Hinter dem Pferd, das der Reiter zum Aufstehen und wenden zu Bewegen versucht, liegen zwei Tote, Kinder, kaum älter als Tia selbst. Sie rennt weiter, aber das Wissen um das Blut an ihren Füßen lässt ihr fast die Galle hochkommen. Sie schlüpft unter eine Veranda, der Reiter galoppiert mehrmals um das Haus. Als er grade auf der anderen Seite ist, rennt Tia wieder los. Schluchzend und stolpernd rennt sie Darios Hauptstraße entlang, das Getrappel der Hufe immer in den Ohren.
„Psst, Tia!“ Das eindringliche Flüstern lässt Tia aufblicken. Eine der unförmigen Hauswände scheint sich zu bewegen. Tia erkennt Garik und Sunao, eng an die Wand gedrängt. Sunao winkt ihr. „Tia, schnell, komm her!“ Das Mädchen wankt auf beide zu. „Schnell!“ zischt Sunao. Garik, der vor ihrem Cousin auf dem Boden hockt, die Hände an die Wand gestemmt, nimmt einen Arm weg und Tia kann sich neben ihren Cousin an die Wand setzten. Sie drängt sich an ihn und Sunao legt einen Arm um sie. Garik hat eine Decke in den Fäusten, die die Farbe der Wand hat. Er drängt die beiden Kinder noch mehr an die Wand und schlägt den Stoff über alle. Tia hat die Beine angewinkelt, sie zitternd am ganzen Körper. „Warum machen die das?“ fragt sie nach einer Weile. Alle drei haben sich so kein wie möglich gemacht. „Wir werden zu viele, sagen sie,“ Gariks Stimme klingt hart. „Also töten sie die Kinder, damit sie nicht erwachsen werden.“ Tia starrt ihn an. „Wieso traden sie nicht?“ Garik schüttelt den Kopf. „Sie haben Angst, das wir einfach zu viele werden, überall, auf dem ganzen Planeten.“ Die Kinder bleiben fassungslos sitzen. „Psst!“ zischt Garik. Sie hören Reiter vorbeikommen, sie lachen... genießen die Jagd.
Tia weiß nicht, wie lange die Kinder dort sitzen, aber sie spürt, das die Schatten gewandert sind. „Nach Hause.“ flüstert sie. „Wir müssen nach Hause.“ Garik nickt. „Weit ist es nicht, wir können es schaffen.“ Sie warten lieber solang, bis die nächsten Männer vorbeigezogen sind. Garik späht vorsichtig die Straße entlang. „Ok, die Luft ist rein. Ich zähl bis 3, dann lauft ihr los. Dreht euch nicht um, sonst werdet ihr langsamer, lauft einfach, verstanden?“ Die Kinder nicken. „Alles klar. 1...“ Die Beiden setzten sich auf die Füße und drehen sich langsam in die Richtung, in die sie nun laufen müssen. „2...“ Garik verstärkt den Griff um die Decke. „3!“ Er springt auf und die Kinder rennen los. Garik lässt die Decke fallen und folgt ihnen.
Tia schaut nicht nach hinten. Sie hört Garik hinter sich, aber jeden Moment können wieder Reiter um die Ecke biegen. Die Drei rasen durch das Dorf, noch 700 Meter bis zum Hügel, Tia schaut nicht nach links oder rechts, sie schaut auch nicht nach hinten, sie rennt weiter. Sie kann nicht denken, sie will auch nicht, sie hat nur Angst. Sunao ist schneller und erreicht den Hügelaufgang als Erster. Tia keucht, alles tut ihr weh, aber sie kann hier nicht stehen bleiben, man kann sie hier von fast überall aus sehen. Sunao ist schon fast oben.
„Mama!“ brüllt er mit all der Luft, die er noch hat. „Mama schnell, mach auf! Lass uns rein!“ Er kommt oben an, als seine Mutter die Tür aufreisst. Sie musste heute hier bleiben, Einmachgläser auskochen, was in ihrer Küche einfacherer für sie ist als im Herrenhaus, wo sie laut Bud dem Koch im Weg steht. „Sunao! Tia, Garik, dem Himmel sei Dank! Schnell!“ Garik hat Tia eingeholt, schnappt sie aus dem Lauf und hievt sie über die Schwelle, Neharia packt ihn an der Schulter und knallt die Tür zu, schließt hinter sich ab.
Keuchend sinkt Tia in der Küche zusammen, die Arme um den schmerzenden Bauch und die stechenden Seiten, wiegt sie vor und zurück, um zu Atem zu kommen. Sunao steht mit zitternden Knien am Tisch, an dem er sich abstützt, Garik stemmt die Hände auf die Knie und hustet. Neharia hebt ihren Sohn auf einen Stuhl und starrt ihn an, ihre Augen schimmern, sie scheint bereits alles zu wissen. „Ich wollte euch suchen, aber... Marin hat mir alles erzählt... die Kinder hier... Oh Vania, sei gepriesen, ihr seit zurück gekommen, ihr habt es geschafft!“ Sunao lächelt keuchend. „Marin?“ stößt Garik hervor und Neharia nickt. „Sie war eine der Ersten hier, sie war eben noch oben, hat die Kleinen betreut.“ In dem Moment kommt das Mädchen die Leiter herunter. „Garik! Seit ihr in Ordnung?“ Sie eilt zu ihm, um ihn zu stützten, hievt ihn auf den Tisch, wo er sitzen und Luft schöpfen kann. „Ja... Marin, ich hab dich gesucht. Mann, bin ich froh, das du... dir ist doch nichts passiert?“ Er starrt auf ihre Kleidung. Marin schüttelt den Kopf. „Das ist nicht mein Blut, keine Sorge.“ Sie legt ganz vorsichtig die Arme um ihn. „Ich hatte Angst. Aber ihr habt es geschafft, ihr habt es geschafft.“ Garik legt einen Arm um sie und nickt keuchend. Neharia bringt Wasser und Tia kippt den Becher in einem Zug herunter. „Danke.“ Sie bekommt immer noch kaum Luft. Neharia kümmert sich um die Kinder.
Nach einer halben Stunde geht Garik wieder raus, um anderen zu helfen. Marin bittet ihn zu bleiben, aber sie kann ihn nicht überzeugen. Nur wenig später eilt auch sie hinaus. Bis zum Abend versammeln sie zusammen mehr als 26 Kinder im Obergeschoss. Erst am Abend, als Sunaos Vater zurückkommt, gibt es Entwarnung für die Kleinen, die Reiter sind abgezogen. Am nächsten Tag, einem Sonntag, an dem die Trances nicht da sind, zieht nachts ein Trauerzug durch das Dorf. Sie tragen fast 240 der im Dorf lebenden 290 Kinder zu der Beerdigungsstätte im Wald hinter den Ländereien. Überall im Land steigen die Trauergesänge der Avanier in den Himmel, denn nicht nur die Trances haben an diesem Tag den Kinderbestand der Avanier so brutal reduziert.
Re: Memorie's Echo
Kinder sind für uns Avanier eine ganz besondere Freude. Wir sind nicht sehr lange empfangsfähig, nur zwischen 21 und 40 Jahren und auch längst nicht so fruchtbar wie die Frauen Calerros oder der Erde. Dieser Tag war eine der größten Katastrophen, die uns jemals getroffen haben. Dieser Tag ist in unsere Geschichte eingezogen. Heute nennen wir ihn Himmelswanderung der Kinder. Insgesamt haben an diesem Tag mehr als eine Millionen Kinder der Avanier ihr leben lassen müssen, das waren 85% alle Avanier-Kinder überhaupt. Dank Neharia, die uns versteckt hat, haben wir überlebt, aber es gab auch Höfe, auf denen kein einziges Kind entkommen konnte. Und wir durften am Tag danach durch die Straßen und Ländereien ziehen und die Leichen einsammeln. Es war schrecklich! Ich habe nie mehr in meinem Leben so Angst gehabt.
Marin
Marin
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